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COVID-19-Quarantäne: Urlaub muss nicht nachgewährt werden

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Rechtsanwalt Stefan Günther. Foto: PM

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass im Falle der Anordnung einer Quarantäne während des Urlaubs eines Arbeitnehmers dieser Urlaub nicht durch den Arbeitgeber nachgewährt werden muss. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich infiziert war, aber keine ärztliche Krankschreibung erfolgt ist.


1. zum Hintergrund des Urteils

Die Klägerin, eine Maschinenbedienerin, befand sich in der Zeit vom 10.12.2020 bis zum 31.12.2020 in bewilligtem Erholungsurlaub. Nach einem Kontakt mit ihrer mit COVID-19 infizierten Tochter ordnete das Gesundheitsamt zunächst eine häusliche Quarantäne bis zum 16.12.2020 an. Bei einer Testung am 16.12.2020 wurde bei der Klägerin eine Infektion mit COVID-19 festgestellt. Daraufhin ordnete das Gesundheitsamt für die Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2020 häusliche Quarantäne vom 6.12.2020 bis zum 23.12.2020 an. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass die Klägerin als Kranke im Sinne des § 2 Nr. 4 Infektionsschutzgesetzes anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Klägerin nicht ausstellen. Die Klägerin verlangt von ihrer Arbeitgeberin die Nachgewährung von zehn Urlaubstagen für die Zeit vom 10.12.2020 bis 23.12.2020.

Sie meint, diese seien wegen der durch das Gesundheitsamt verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, dass sie den Urlaubsanspruch der Klägerin auch in diesem Zeitraum erfüllt habe.

2. Die Begründung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage ab gewiesen und dies mit der gesetzlichen Regelung in § 9 BUrlG begründet. Die Vorschrift unterscheidet zwischen Erkrankung und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe sind nicht gleichzusetzen. Danach erfordert die Nichtanrechnung der Urlaubstage bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehle es hier. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamts ergibt sich lediglich, dass die Klägerin an COVID-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin durch einen Arzt wurde nicht vorgenommen. Eine Erkrankung mit COVID-19 führt z.B. bei einem symptomlosen Verlauf nicht automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit.

3. Folgerungen für die Praxis

Die Corona-Sonderregeln für die telefonische Krankschreibung gelten derzeit bis zum 31.12.2021. Sollten Quarantäne und Urlaub zusammentreffen, ist dem Arbeitnehmer anzuraten, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, wenn Krankheitssymptome auftreten. Keinesfalls sollte sich der Arbeitnehmer vom Arzt darauf verweisen lassen, dass er keine Krankschreibung benötigt, da ohnehin Quarantäne angeordnet wurde und er sich im Urlaub befinde. Die Krankschreibung ist erforderlich, um die Urlaubsansprüche zu erhalten.

Quelle: Pressemitteilung des LArbG Düsseldorf vom 15.10.2021 mitgeteilt von Rechtsanwalt Stefan Günther, Fachanwalt für Arbeitsrecht Rechtsanwälte Dr. Schmidt und Günther, Leisnig

Gewaltopferentschädigungsrecht: Alkoholkonsum während der Schwangerschaft

Der Staat zahlt den Opfern von Gewalttaten eine Entschädigung für Gesundheitsschäden und für die wirtschaftlichen Folgen der Gesundheitsschädigung.

Der Grundgedanke des Opferentschädigungsgesetzes (kurz OEG) ist, dass der Staat haftet, wenn er bei seiner Verantwortung, seine Bürger zu schützen, versagt hat. Eigentums- und Vermögensschäden werden nicht entschädigt, es wird auch kein Schmerzensgeld gezahlt. Übernommen wird aber zum Beispiel eine Heil- und Krankenbehandlung.

Ein solcher Anspruch auf Opferentschädigung setzt nach § 1 OEG voraus, dass der Anspruchssteller durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Wenn werdende Mütter während der Schwangerschaft Alkohol trinken, besteht ein hohes Risiko, dass sie ein behindertes Kind auf die Welt bringen. Hierbei reichen bereits geringe Trinkmengen aus.

Fetale AlkoholspektrumStörungen (Fetal Alcohol Spectrum Disorders, FASD) zählen dabei zu den häufigsten angeborenen Behinderungen in Deutschland.

Nach Schätzung der Bundesdrogenbeauftragten kommen hierzulande jährlich ca. 10.000 Kinder auf die Welt, die unter einer Form von FASD leiden. Diese Kinder haben häufig Lernschwierigkeiten, eine eingeschränkte Impulskontrolle und zeigen sozial unangemessenes Verhalten sowie Hyperaktivität. Das Bundessozialgericht (Urteil des 9. Senats v. 24.09.2020, Az: B 9 V 3/18 R) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft einen für die Opferentschädigung erforderlichen „tätlichen Angriff“ darstellt. Geklagt hatte eine schwerbehinderte Frau, deren Mutter während der Schwangerschaft Alkohol missbräuchlich konsumiert hatte.

Das Bundessozialgericht stellte klar, dass auch die Schädigung der Leibesfrucht in den Anwendungsbereich des OEG fallen müsse. Es existiere in Deutschland aber kein allgemeines Alkoholverbot für Schwangere. Eine Opferentschädigung komme daher nur (ausnahmsweise) in Betracht, wenn die Mutter mit ihrem Alkoholkonsum einen versuchten Schwangerschaftsabbruch begangen habe. Erst in diesem Falle bestehe die nach dem OEG erforderliche „feindselige Willensrichtung“. Diese Voraussetzung konnte in dem konkreten Fall nicht festgestellt werden. Abschließend folgender Hinweis: Ein Antrag auf Entschädigungsleistungen ist bei dem Kommunalen Sozialverband Sachsen zu stellen (Anschrift Reichsstraße 3, 09112 Chemnitz, Telefon: 0371 57 70). Die Ansprüche nach dem Opferentschädigungsrecht verjähren dabei nicht.

Andreas Baereke, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht