Der Mann ist ein Motivations-Mensch. Jedenfalls nimmt man ihm seine Begeisterung für den Fußball ab, zu hundert Prozent. Miroslav Jagatic, seit exakt 201 Tagen Cheftrainer der BSG Chemie Leipzig, führte den Verein zurück in die Regionalliga. Jetzt gilt es – Chemie wird ab der ersten Minute um den Klassenerhalt kämpfen müssen. Los geht es heute beim Aufstiegsaspiranten Nordhausen.Die Aufgabe wird nicht leicht. Wer sind die Leitwölfe, die vorangehen?Jeder macht es auf seine bestimmte Art. Daniel Heinze geht voran, ist aber keiner, der rumposaunt. Stefan Karau ist eher der lautere Part, aber Alex Bury oder Benny Schmidt, das sind auch alles alte Chemiker. Jeder versucht, seinen Part zu erfüllen, im kompletten Verein. Jetzt fehlt nur noch der sportliche Erfolg, und das wird dieses Jahr eine Riesenherausforderung.Andere Verein haben weit höhere Etats als die BSG.Ich möchte mich nicht diesen Dingen anschließen, alles nur mit Geld machen zu wollen. Umso schöner ist es doch, wenn wir mit wenigen Mittel viel erreichen. Darauf kannst du stolz sein.Was ist die größte Stärke Ihrer Mannschaft?
Ein Ball, zwei Tore, geile Fans: Chemie-Cheftrainer Miroslav Jagatic über Saisonziele, die Kunst der Motivation und fußballerische Gänsehaut
Das beste Beispiel dafür war das Spiel damals gegen den Verfolger Luckenwalde. Wir führen 2:0, die machen in einer Druckphase von uns plötzlich das 2:1. Das darf nicht passieren. Es waren nur noch ein paar Minuten zu spielen. Und glaub mir, ob draußen oder auf dem Platz, alle haben wir daran geglaubt. Fans, Verantwortliche, alle hatten diese postivie Energie. Die Kunst ist, positiv zu bleiben, auch wenn es mal nicht läuft. Jetzt musst du auch mal mit einem Punkt zufrieden sein, selbst zuhause, wo wir alle immer drei Punkte erwarten. Das kann der Klassenerhalt sein.
Wie leben Sie dieses Positive Ihren Spielern vor?
Ich habe auch mal ’ne schlechte Phase! Aber ich habe viele Erfahrungen gesammelt, im Ausland und anderswo. Es gibt so viele schlimme Sachen auf der Welt, Krankheiten, Armut, Ausbeutung. Und da muss ich sagen: Wir spielen hier Fußball. Wir haben einen Ball, zwei Tore, geile Fans, alles was du möchtest. Und jetzt läuft mal was blöd? Mein Gott, hake es ab, arbeite dran. Ich bin mit Anfang 20 Sportinvalide geworden, Knorpelschaden in Knie und Knöchel, und auch nach vier Operationen nie wieder zurückgekommen. Da sag ich zu den Männern: Genießt jeden Tag, ihr dürft Fußball spielen, gebt alles, was ihr habt! Ach, ich kriege schon wieder ’ne Gänsehaut, wenn ich über Fußball rede!
Schönspieler sind ohnehin nie der Typ Leutzscher Fußballer gewesen...
Wir haben perfekte Leute gefunden, du hast hier keinen, der querschießt oder meint, Regionalliga ist eigentlich zu wenig, zweite Liga muss es schon sein, Minimum. Da gibt’s in Berlin ein größeres Problem.
Wird es mit dieser gewissen Entspanntheit sogar leichter als in der vergangenen Saison?
Ich muss trotzdem die Spannung hochhalten, dass kein Schlendrian einkehrt. Es gibt diesen positiven Druck, den du mit Freude angehen kannst, der dich sagen lässt: Ey, geil, Nordhausen, wir spielen gegen eine Profimannschaft – aber wir können doch genauso Fußball spielen, gib mal Gas!